Europacup der Landesmeister 1984/85 - Achtelfinale Hinspiel: BFC Dynamo - FK Austria Memphis Wien 3:3

Drei große Schwächen unseres Meisters
Nach dem 23. Heimspiel in der nunmehr 13jährigen EC-Geschichte unseres sechsfachen Meisters mußte Jürgen Bogs enttäuscht wie wohl selten zuvor ein Trainer feststellen, daß lediglich ein einziger Spieler (von 13 aufgebotenen) seine normale Form erreicht hat. Das war obendrein der Benjamin, der gerade 19-jährige Andreas Thom, der nach seinen beiden Treffern im sechsten Spiel nun schon gemeinsam mit Terletzki, Ernst und Schulz der erfolgreichste aktive Europapokaltorschütze seines Klubs ist (je vier). Das sagt wohl schon einiges über die nicht sehr gelungene Vorstellung der Berliner aus. Sie scheiterten an diesem Tage vornehmlich an drei augenfälligen Schwächen:

1.) an ihrer nicht sattelfesten Abwehr
Wie in den beiden vorangegangenen Punktspielen in Erfurt (5:4) und beim 1. FC Lok (2:3) mußten wiederum drei Gegentore hingenommen werden. Ksienzyk hatte mit dem schnellen Steinkogler ebenso erhebliche Schwierigkeiten wie Maek, der meniskusverletzt ausschied, mit Polster, die jeder einen Treffer erzielten und den dritten gemeinsam vorbereiteten. Und aus Nyilasi, der Troppa anfangs weit ins Mittelfeld zog, mehr und mehr in die Spitze ging, war auch er schwer zu stellen. Erst legte er einen Prohaska-Eckball mit dem Kopf auf Steinkogler ab, der das 1:0 besorgte, dann nahm der Ungar nach einem weiten Diagonalpaß von Polster auf Steinkogler dessen Flanke im Strafraum seelenruhig an und schoß überlegt zum 3:2 ein. Und Rudwaleit strahlte alles andere als Ruhe aus. Bei Polsters Heber aus 25 m stand er zu weit vor dem Gehäuse, mit einem verunglückten Abwurf verschaffte er Prohaska freie Bahn zum Tor (56.).

2.) an der mangelnden Spielgestaltung im Mittelfeld
Trotz einer Auswahlspieleranhäufung in der spielgestaltenden Zone (Troppa 15 X A, Ernst 13, Rohde 3, Backs 5, Terletzki 4) hatte keiner die Fäden fest in der Hand, so daß der anfängliche Druck  nicht fortgesetzt werden konnte. Er wäre aber unbedingt notwendig gewesen, um die Österreicher stärker zu beeindrucken, die, da er ausblieb, immer besser ins Spiel kamen und ihr Können demonstrierten. Vielleicht würde man Rainer Ernst und der gesamten Mannschaft einen guten Dienst erweisen, wenn man ihm eine (ihm viel mehr liegende) Spielgestalterrolle im Mittelfeld überläßt, wie sie beispielsweise einst der Dresdner Kreische, dem er in vielem ähnelt, gespielt und dabei auch viele Tore erzielt hat.

3.) an der unzureichenden Chancenverwertung
Nach knapp 20 Minuten (hätten die Berliner die Partie schon klar für sich entscheiden können. Denn nach Thoms Führungstor schoß Ernst, an der Strafraumgrenze völlig frei, flach vorbei (9.); bei Thoms Schuß auf das leere Tor bekam Dihanich noch ein Bein dazwischen (10.); und Backs, von Pastor völlig freigespielt, traf ebenfalls nicht (18.), wie dann auch Ernst unmittelbar nach der Pause, während Rohdes 20-m-Schuß an die Latte ging (37.). Solche Unterlassungssünden, solche Einladungen läßt sich eine erfahrene Mannschaft wie die Austria-Elf mit zehn Nationalspielern Österreichs, Ungarns und Jugoslawiens natürlich nicht entgehen. Sie operierte bei der erwarteten Anfangsoffensive der Gastgeber und dem frühzeitigen Führungstreffer zunächst sehr diszipliniert, immer bemüht, die Abwehr zu festigen und darauf, das eigene Spiel aufzubauen.

Dabei imponierte besonders, wie Prohaska, der Regisseur und 73fache Nationalspieler, äußerst mannschaftsdienlich häufig vor dem eigenen Strafraum auftauchte, um Ruhe in die Aktionen zu bringen. Das gelang ihm im Verein mit Nyilasi zusehends, so daß durchaus ein Sieg möglich war. "Ich hätte nicht geglaubt, daß wir so gut ins Spiel kommen, hatte vielmehr gerechnet, daß wir stärker unter Druck geraten", zeigte sich Trainer Thomas Parits sehr zufrieden. In Österreichs Fachkreisen ist Austria bereits im Viertelfinale. "Wir haben zu Hause seit zwei Jahren kein Europapokalspiel mehr verloren", begründete Anton Polster den Optimismus. Am BFC ist es nun, das zu ändern...

BFC Dynamo:
Rudwaleit; Trieloff; Ksienzyk, Maek (69. Ullrich); Troppa, Backs (46. Hirsch), Rohde, Terletzki; Pastor; Ernst, Thom
FK Austria Memphis Wien:
Koncilia; Obermayer; Dihanich, Türmer, Degeorgi; Mustedaganic, Prohaska, Nyilasi, Baumeister (88. Zore); Polster (73. Drabits), Steinkogler

1:0 Thom               (.)
1:1 Steinkogler        (36.)
1:2 Polster            (42.)
2:2 Thom               (52.)
2:3 Nyilasi            (60.)
3:3 Pastor             (88.)

Schiedsrichter:        Soriano (Spanien)
Zuschauer:             21.000

Manfred Binkowski, Neue Fußballwoche, 30.10.1984