Europacup der Landesmeister 1984/85 - 1. Runde Hinspiel: FC Aberdeen - BFC Dynamo 2:1

Am Ende stieg die Hoffnung wieder
Wohl noch nie zuvor hatten BFC-Cupergebnisse vergangener Jahre solchen Einfluß auf das Denken und Handeln des aktuellen Kontrahenten wie in diesen Tagen. In den Vorschau-Kommentaren der schottischen Medien wurde immer wieder auf die 1:0-Auswärtserfolge der Berliner bei Nottingham Forest (1979/80) und Aston Villa (1981/82) hingewiesen. Auch in der Meinung von Aberdeen-Manager Alex Ferguson, seit zwei Wochen auch Co-Trainer der Nationalmannschaft, widerspiegelten sich diese Gedanken. "Wenn wir nicht mit der gebotenen Vorsicht operieren, können wir gegen Dynamo sehr leicht in große Schwierigkeiten kommen", lautete sein Kommentar gegenüber dem Radio-Reporter von BBC Aberdeen am Tag vor dem Match.

In den ersten 20 Minuten, als der Vorjahrs-Europapokalsieger nicht gleich entfesselt stürmte, sondern überlegt und mit höchstem Respekt zu Werke ging, war diese Mahnung am deutlichsten zu spüren. Natürlich suchten die "Dons" im vollbesetzten Pittodrie-Stadion schwungvoll die Offensive, hatte die BFC-Abwehr gerade in der ersten halben Stunde manch heikle Situation zu überstehen, eingeschnürt im eigenen Strafraum aber wurde der DDR-Meister keinesfalls. Zu groß war die Angst der Schotten vor einem schnellen Konter á la Riediger im City-Ground von Nottingham. Daß der Gegentreffer während des später einsetzenden Dauerdrucks dennoch "kam", spricht ganz für die Dynamos, für ihre intakte Kampfmoral und von ihrem festen Willen, das so wichtige Auswärtstor gegen einen so renommierten Spielpartner unbedingt zu markieren.

"Ich war unbedrängt und zielte auf die lange Ecke. Leighton war da ohne Chance", schilderte der glückliche Bernd Schulz nach dem 1:2 die Szene, die plötzlich alle Hoffnungen auf ein Weiterkommen erneut aufkeimen ließen. Mit Schweigen und Staunen nahm der Aberdeener Anhang, der in 27 Cup-Heimpartien erst 18 Gegentreffer (zwölfmal "zu Null"-Ergebnisse) gesehen hat, das Schulz-Kopfballtor zur Kenntnis. So groß der Jubel im Dynamo-Lager über dieses wichtige Tor war und auch die Zufriedenheit, sich trotz der blitzsauberen Kopfball-Gegentreffer von Black (EC-Debütant Maek hatte es schwer gegen ihn) annehmbar aus der Affäre gezogen zu haben, die Kritik von Trainer Jürgen Bogs war deutlich.

Um wieviel schwerer hätte man es dem dreifachen schottischen Titelträger nämlich machen können, wären Ruhe und Übersicht, Ballkontrolle und -sicherheit vor allem in der spielgestaltenden Zone stärker zum Tragen gekommen. Abspielfehler über das normale Maß hinaus (Ernst, Schulz, zuweilen auch Rohde), klare Nachteile im Zweikampfverhalten (vor allem Pastor) erleichterten dem Widersacher immer wieder den schnellen Vorwärtsdrang mit präzisen Paßfolgen und gefährlichen Eingaben, eröffneten Räume und Möglichkeiten. Schon in der zweiten Minute hatte der imponierende Stark (enormer Aktionsradius) ein Blitztor vor den Füßen: Hewitts Schuß prallte vom linken Pfosten ins Feld zurück (10.), Sekunden später rettete Kapitän Rudwaleit "im Nachfassen".

Kurz vor dem Gang in die Kabinen setzte wiederum Black einen weiteren Kopfball an die Latte! Zum Glück für die Dynamos änderte auch der vehemente Schlußspurt der Schotten (Kopfbälle McLeish/86. und Falconer/90.) nichts mehr am Resultat. Vor ihrem starken Finish aber lag die Phase, in der der BFC seine Potenzen andeutete. Troppa (verständlicherweise fast ausschließlich in der Abwehr gebunden) mit einem 20-m-Gewaltschuß, den Leighton mit Mühe um den Pfosten lenkte (65.), auch Backs (79.), Rohde (80.) und Grether - ihm wäre beinahe ein Abstauber-Tor gelungen - hatten die besten Gelegenheiten. Insgesamt aber lief im BFC-Angriff zu wenig zusammen, um das exzellente Stopper-Tandem Miller/McLeish in größere Verlegenheit zu bringen. Einzig der junge Thom bot vorn eine beherzte Partie, weil er aus der schnellen Bewegung spielte, was auch die besondere Anerkennung von Alex Ferguson fand. Doch blieb der Außenstürmer zu oft auf sich allein gestellt.

FC Aberdeen:
Leighton; Miller; McKimmie, McLeish, McQueen; Stark, Bell (88. Simpson), Cooper, Angus; Black, Hewit (64. Falconer)
BFC Dynamo:
Rudwaleit; Trieloff; Ksienzyk, Troppa, Maek; Backs, Rohde, Schulz, Pastor (78. Grether); Ernst (73. Terletzki), Thom

1:0 Black              (34.)
2:0 Black              (68.)
2:1 Schulz             (83.)

Schiedsrichter:        van Langenhove (Belgien)
Zuschauer:             24.000

Harry Radunz, Neue Fußballwoche, 25.09.1984