Europacup der Landesmeister 1983/84 - Viertelfinale Rückspiel: BFC Dynamo - AS Rom 2:1

Trotz Ausscheidens verdient der BFC-Erfolg Anerkennung
Die treuen Anhänger unseres Meisters verloren nie ihren Humor, auch wenn er mir ein wenig schwarz gefärbt schien. "Nur noch vier!", riefen sie lautstark, nachdem der kecke Thom eine Ecke Terletzkis nutzte und den Ball per Kopf zum Ausgleich in die Maschen gesetzt hatte. Der BFC tat und gab sein Bestes, mühte sich redlich, bewies auch nach dem 0:1 Moral, zeigte durchweg einen bemerkenswerten Kampfgeist, Einsatzstärke, riß damit nach einem Rückstand noch einen anerkennenswerten Erfolg aus dem Feuer - allein: Ein 0:3, später gar ein 0:4 wettzumachen, das überstieg seine derzeit begrenzten spielerischen Möglichkeiten bei weitem. Am Willen und Wollen hat es keinesfalls gefehlt, wohl aber an der fußballerischen Ausstrahlung schon im Hinspiel.

War es die Freude über den Einzug ins Halbfinale, die "ausgezeichnete Gastfreundschaft", die er ausdrücklich hervorhob, "die schöne Stadt mit ihren freundlichen Menschen" - der römische Trainer schwedischer Abstammung zeigte sich nach dem Abpfiff in Gebelaune; Nils Liedholm sprach von einem "großen Spiel", davon, daß der BFC Dynamo zu den besten Mannschaften Europas zu zählen sei. Und er führte an, daß Rom gegen englische Mannschaften, gegen Benfica, Feyenoord, Ajax, Köln und andere gespielt habe, kurz: gegen die Spitze des Kontinents, und er eben deshalb ein gediegenes Urteil fällen könne. Nun, wir tun gut daran, dieses Urteil zu relativieren, es auf seinen rationellen Kern zurückzuführen, um uns selbst nichts vorzumachen.

Jürgen Bogs jedenfalls hielt es so, als er seiner Mannschaft ein Kompliment für ihr engagiertes Spiel machte, die zwar nicht so druckvoll begonnen, doch später ihre Möglichkeiten genutzt und einen verdienten Sieg errungen habe. Denn das war offensichtlich: Man hatte nie das Gefühl, daß den Römern etwas anbrennen könne, um es einmal salopp zu formulieren. Sie hatten zumindest dreierlei Vorzüge ins Feld zu führen, die ihr Weiterkommen rechtfertigten. Da war zum einen die individuelle technische Klasse der Falcao, Pruzzo, Conti u. a.; da fiel das risikolose Vorgehen der zentralen Abwehr mit Righetti und Bonetti auf, wenn es die Situation erforderte; und da war schließlich die Tatsache, daß sie das Tempo zu forcieren in der Lage waren, wenn sie in die Tornähe des BFC kamen, sie die Möglichkeit hatten, in den Strafraum einzudringen, und diese Beschleunigung verbanden sie mit einer Beweglichkeit, die nicht von ungefähr kommen kann.

Tatsächlich, wer sich einmal der Mühe unterzog, sie beim Aufwärmen zu beobachten, der fand zumindest eine Ursache dafür heraus. Sie taten das auf dem Parkplatz, brauchten wenig Raum und kaum einen Ball. Dafür absolvierten sie eine intensive Gymnastik, Dehn- und  Lockerungsübungen, die alle unsere Trainer hätten ansehen sollen, weil unser oberligaübliches Warmmachen in der Regel nur ein Gewöhnen an Platz und Ball ist. Unser Meister versuchte es zunächst mit Weitschüssen. Zwar mußte sich Tancredi bei Versuchen von Backs (6.), Grether (7.) und Troppa (14.) mächtig strecken, und auch Prange prüfte den Torwart in der Schlußphase noch einmal ernsthaft. Doch sein Spiel erwies sich lange Zeit als zu statisch.

Ernst, "auf den wir uns besonders konzentrierten, weil er ein Klassemann ist" (so Liedholm), mußte erst immer den Ball halten, ehe sich Anspielpunkte anboten, die anderen nachrückten. Dem 0:1 gingen zwei glasklare Chancen der Gaste voraus - erst rettete Rudwaleit großartig nach Trieloff-Fehler gegen Graziani (47.), dann parierte er gegen Pruzzo (54.) -, ehe Oddi nach Conti-Paß, Falcao-Eingabe und einem Täuschungsmanöver Cerezos traf. Wie dann der BFC in dieser Schlußphase, in der Conti noch einmal an die Latte schoß (85.), alle Reserven mobilisierte, jeder einzelne ein beträchtliches Laufpensum absolvierte, das gefiel, obschon das Geschehen zuvor für einige (Terletzki) zu schnell schien.

Thoms Kopfballtor folgte der Siegtreffer durch Ernst nach einem Flügelwechsel von rechts nach links und einer zu kurzen Abwehr Righettis. Ein verdienter Erfolg, der jedoch richtig eingeordnet werden muß. Wer gegen eine Elf von Klasse anzutreten hat, in der, wie auch immer, die besten Spieler des Landes und über die Grenzen von Kontinenten hinweg konzentriert sind, der kann sich eben nur Außenseiterchancen ausrechnen, wenn er dem nicht Rechnung trägt. Das ist keine Kritik am BFC, keine an unseren Mannschaften überhaupt; wohl aber ein Fingerzeig für uns, was wir auch tun müssen, wollen wir entscheidend im Klubfußball weiterkommen...

BFC Dynamo:
Rudwaleit; Trieloff; Troppa, Maek (76. Netz), Rath; Terletzki, Backs (82. Prange), Schulz, Backs; Ernst, Thom, Grether
AS Rom:
Tancredi; Righetti; Nela (52. Oddi), Bonetti, Maldera; Falcao, di Bartolomei, Cerezo (82. Chirico); Conti, Pruzzo, Graziani

0:1 Oddi               (56.)
1:1 Thom               (76.)
2:1 Ernst              (87.)

Schiedsrichter         Johannsson (Schweden)
Zuschauer:             23.000

Klaus Schlegel, Neue Fußballwoche, 27.03.1984