Europacup der Landesmeister 1982/83 - 1. Runde Hinspiel: BFC Dynamo - Hamburger SV 1:1

Nach dem Ausgleich zuviel Respekt gezeigt
Die Berliner vertreten unsere Republik bereits zum vierten Mal hintereinander im Cup der Landesmeister. In den drei vorangegangenen Konkurrenzen sind sie jeweils zu Hause gescheitert, konnten die guten Auswärtsergebnisse (Nottingham Forest 1:0, Banik Ostrava 0:0, Aston Villa 1:0) auf eigenem Terrain nicht zum Weiterkommen genutzt werden (1:3, 1:1, 1:2). Diese Bilanz soll nun diesmal positiver gestaltet werden. Dafür war eine bessere Ausgangsposition durchaus möglich. Die Gastgeber haben sie auch angestrebt. Aber eben nicht über die gesamten neunzig Minuten. Sie begannen in einer imponierend selbstbewußten, erfolgversprechenden Art. An der Seite von Kapitän Terletzki, der alle 35 EC-Spiele des BFC mitbestritten hat, knüpften der fleißige, spielverständige Backs und der unermüdlich die Bälle schleppende Rohde die Fäden, strahlten im Angriff vor allem Riediger, auch Schulz einige Wirkung aus.

Der Nationalspieler kündigte seinen 10. EC-Treffer, mit dem er mit Netz gleichzog, förmlich an: Erst setzte er einen Schuß ans Außennetz (9.), dann an den Pfosten (12.) und schließlich zum 1:0 in die Maschen (17.). Und das alles nach gut einer Viertelstunde, der sich weitere Möglichkeiten für Backs (20.) und Netz (24.) anschlossen. Nun erst kamen die Gäste, bei denen WM-Teilnehmer Hrubesch wegen Verletzung fehlte, zu ihren ersten Entlastungsangriffen über Bastrup (25.) und Milewski (27.), bei denen die beiden Angreifer sofort ihre Stärken andeuteten (Schnelligkeit bzw. Kopfballspiel). "Bis dahin haben wir eine schwere Zeit gehabt, standen wir stark unter Druck", gestand HSV-Trainer Ernst Happel.

In dieser Phase zeigte sich der BRD-Titelträger und Bundesliga-Spitzenreiter sichtlich beeindruckt, der ja auch mit deutlich erkennbarem Respekt an die Spree gekommen war und seinen dritten Stürmer lange Zeit auf der Bank ließ. Das änderte sich fast alles schlagartig mit dem Ausgleichstreffer, als Ullrich beim Bau einer Abseitsfalle nicht schnell genug reagierte, so daß Milewski völlig freie Bahn hatte und sich diese Chance nicht entgehen ließ. Das hatte bei den Gastgebern nahezu panische Auswirkungen. "Jetzt zog bei uns etwas Zurückhaltung ein", formulierte es Trainer Jürgen Bogs sehr vorsichtig. Zwar boten sich Netz (43.) und Riediger (44.) Einschußmöglichkeiten, hatte Troppa die größte Gelegenheit zum 2:1, als er mit einem herrlichen Sturmlauf in den Strafraum eindrang, aber mit dem Schuß zögerte, sich nach rechts abdrängen ließ und das Leder am entlegenen Pfosten vorbeizog (47.).

Was aber in der Folgezeit geboten wurde, das war zu wenig, um in solch einem bedeutsamen Spiel Siegeshoffnungen hegen zu können. "Jetzt war die Lockerheit weg, die Angst zu spüren, zu verlieren - ein Ausdruck der vorangegangenen EC-Heimniederlagen", betonte Trainer Joachim Hall. Nun operierte unser Meister viel zu zaghaft, konnte bis auf eine Eingabe von Schulz (77.) keine Wirkung mehr erzielt werden. In den zweiten 45 Minuten gestalteten die Gäste das Geschehen mehr und mehr nach ihren Vorstellungen. Mit einer großen Bewegungsfreude nutzten sie die im Mittelfeld großzügig angebotenen Räume. Dabei tat sich besonders Groh hervor, der anfangs und später auch noch gelegentlich von Kaltz in die Verteidigerrolle gedrängt wurde, sich aber nicht daran gebunden fühlte und häufig am rechten Flügel auftauchte.

Schließlich streifte auch noch Trainier Happel mit der Einwechslung van Heesens als drittem Stürmer seinen Respekt ab. Van Heesen mit einem Kopfball aus Nahdistanz (87.) und Groh mit zwei kapitalen Schüssen (88., 89.) stellten Rudwaleit auf die Probe, der jeweils großartig reagierte. So blieb es beim 1:1, "einem guten Ergebnis, mit dem sich das ohnehin schon große Interesse für das Rückspiel noch weiter erhöht hat, so daß sicherlich 50.000 bis 60.000 Zuschauer in das Volksparkstadion kommen werden", warf Manager Günter Netzer (auch schon mit den Gedanken bei den Einnahmen) einen Blick voraus. Der BFC muß nun seine gute Auswärtstradition fortsetzen. Schließlich hat er noch einen Nimbus zu wahren: Er ist noch nie in der ersten Runde des EC I ausgeschieden!

BFC Dynamo:
Rudwaleit; Trieloff; Troppa, Ullrich; Noack, Terletzki, Rohde, Backs; Riediger, Schulz, Netz (83. Ernst)
Hamburger SV:
Stein; Hieronymus; Kaltz, Jakobs, Wehmeyer; Groh, Hartwig, Rolff (67. van Heesen), Magath; Bastrup, Milewski

1:0 Riediger           (17.)
1:1 Milewski           (37.)

Schiedsrichter         Keizer (Niederlande)
Zuschauer:             22.000

Manfred Binkowski, Neue Fußballwoche, 21.09.1982