Europacup der Landesmeister 1979/80 - 1. Runde Hinspiel: BFC Dynamo - Ruch Chorzow 4:1

Glanzvolles Spiel mit Schönheitsfleck
"Netz mit sieben Treffern unser erfolgreichster EC-Torschütze" - so lautete die Überschrift auf einer Seite des informativen BFC-Programms, auf der alle bisherigen 18 Spiele der Berliner im Europapokal der Pokalsieger und UEFA-Cup (6 Siege, 8 Unentschieden, 4 Niederlagen, 28:25 Tore) aufgezählt wurden. Das unterstrich der durchschlagskräftige Linksaußen dann auch gleich mit allem Nachdruck. Bereits nach drei Minuten - viele Aktive auf beiden Seiten hatten überhaupt noch nicht den Ball berührt - jagte er eine gefühlvolle Sträßer-Eingabe von der rechten Seite aus der Drehung hoch ins Netz. Einen besseren Auftakt konnte sich unser Meister, der ohne den noch nicht wieder ganz hergestellten Lauck begann, bei seinem ersten Auftritt im Cup der Titelgewinner nicht wünschen!

Der frühzeitige Führungstreffer machte ihn selbstsicherer. Mit unermüdlichem Elan und geradlinigen Aktionen zum Tor wurde die Entscheidung gesucht. Dabei sorgte die rechte Flanke für besonders große Gefahr. Riediger schuf mit seinem ständigen Bewegungsdrang die Räume, in die vornehmlich Sträßer und Noack stießen. Ihre Eingaben beschworen immer wieder heikle Situationen vor dem Gäste-Gehäuse herauf. Die Ruch-Abwehr wurde immer wieder über die Flügel unter Druck gesetzt, wobei die Aktionen so variabel angelegt waren, daß Rechtsverteidiger Noack gleich zu Beginn auch einmal aus der Linksaußenposition flankte.

Diesem Powerplay konnte der polnische Meister, der mit 6:12 Punkten und einem 14. Platz alles andere als erfolgreich in die neue Saison gestartet ist, auf die Dauer nicht widerstehen. Das 2:0 durch Pelka nach herrlicher Vorarbeit von Riediger und Noack am rechten Flügel (18.) sowie das 3:0 durch eine bravouröse Sololeistung von Riediger, der nach einer Terletzki-Flanke eiskalt die Ruhe bewahrte, sich drehte, die Ecke aussuchte und überlegt vollendete (27.), waren die logische Folge. Die Möglichkeit zu einem noch klareren Vorsprung vergab Kapitän Terletzki, der als einziger Spieler bei allen 19 EC-Partien des BFC Dynamo seit 1971 dabei war.

Nach einem Foul an dem einmal mehr drangvoll in den gegnerischen Strafraum vorgestoßenen Noack scheiterte er vom Elfmeter-Punkt an Schlußmann Bolesta, der den Ball reaktionsschnell aus der linken Ecke holte (35.). "Gestern im Training habe ich zwanzig Elfmeter hintereinander eingehauen", meinte der sonst so sichere Schütze. Danach hatten die Berliner dann bis zur Pause einige bange Minuten zu überstehen. Sie kamen ausnahmslos auf das Konto von Rechtsaußen Malnowicz, der sehr wendig und dribbelstark war, mit dem Artur Ullrich seine liebe Not hatte. In der 12. Minute war der Pole, als der sonst sehr konsequente Troppa ("Mit meiner Leistung in meinem ersten Europapokalspiel bin ich zufrieden.") zu spät eine Abseitsfalle bauen wollte, bereits einmal frei auf das Tor zugesteuert und an Rudwaleit gescheitert.

Kurz vor der Pause brachte er sich gleich zweimal in gute Schußposition, stellte er den sicheren BFC-Schlußmann gefährlich auf die Probe (42., 43.). Da lagen Gegentreffer in der Luft, wurden auf den Rängen unliebsame Erinnerungen an das vorjährige UEFA-Cup-Treffen mit Roter Stern Belgrad wach, als die Gastgeber innerhalb von drei Minuten ihren 3:0-Vorsprung einbüßten und zwei Tore hinnehmen mußten (34., 36.). Solch ein Nachlassen der Konzentration geht nicht immer gut, wurde dann auch drei Minuten vor dem Abpfiff nach einem krassen Fehler von Schulz bestraft. Zu weiteren Chancen kamen die Gäste jedoch nicht.

Sie hatten zwar mit Bolesta einen sicheren Schlußmann, legten ein recht cleveres Zweikampfverhalten an den Tag und ließen mitunter in der Spieleröffnung einige gute Ansätze erkennen (Malnowicz, Buncol, Benigier), blieben ansonsten aber doch recht harmlos, so daß es einige Verwunderung auslöste, als Trainer Leszek Jezierski "vom besten Spiel meiner Mannschaft in dieser Saison" sprach und mit ihrer Leistung zufrieden war. Unser Titelträger setzte in dieser Partie eindeutig die Akzente. Mit einer sicheren Abwehr im Rücken, aus der Rudwaleit und Troppa noch herausragten, machten sich der sehr gut aufgelegte und völlig verausgabende Sträßer, Noack und Riediger um den Spielfluß besonders verdient.

Dabei konnte vor allem der dreißigfache Nationalspieler einige Male seine Stärken nachdrücklich ausspielen. Glanzpunkte waren sein Treffer zum 3:0 und die Vorbereitung des 4:0, als er am linken Flügel unwiderstehlich davonzog und Pelka die Kugel maßgerecht servierte. Diese Konsequenz hätte man den Gastgebern über die gesamte Distanz gewünscht. Dann wäre auch der Schönheitsfleck in Form des Gegentores, "das wir auf jeden Fall vermeiden wollten" (Jürgen Bogs), nicht entstanden, hätte der BFC Dynamo ganz beruhigt zum Rückspiel am 3. Oktober nach Chorzow fahren können. Aber auch so ist die zweite Runde bereits in greifbare Nähe gerückt.

BFC Dynamo:
Rudwaleit; Trieloff; Noack, Troppa, Artur Ullrich; Sträßer (62. Schulz), Terletzki, Brillat; Riediger, Pelka (80. Lauck), Netz
Ruch Chorzow:
Bolesta; Piechaczek; Malcher, Jakubczyk, Drzewiecki; Lorens, Walot (46. Mikulski), Wira; Malnowicz (75. Wycislik), Benigier, Buncol

1:0 Netz               ( 3.)
2:0 Pelka              (18.)
3:0 Riediger           (27.)
4:0 Pelka              (79.)
4:1 Wycislik           (87.)

Schiedsrichter         Matejew (Bulgarien)
Zuschauer:             30.000

Manfred Binkowski, Neue Fußballwoche, 25.09.1979