UEFA-Cup 1976/77 - 1. Runde Rückspiel: BFC Dynamo - Schachtjor Donezk 1:1

Allein es blieb beim Wollen...
Aller guten Dinge sind drei, sagt man. Die dritte EC-Vorstellung des BFC war alles andere als das. 1971/72 zogen die Berliner bis in das Halbfinale der Cupsieger-Konkurrenz. Achtmal traten sie an. 1972/73 spielten sie sich immerhin noch bis ins Achtelfinale des UEFA-Pokals. Sechsmal traten sie an. 1976/77 aber, nach dreijähriger internationaler Wettbewerbs-Abstinenz, verließ der DDR-Vizemeister bereits nach der 1. Runde die Bühne. Nur zweimal trat er an... EINE ENTTÄUSCHUNG? UND OB! Die Anhänger der "Dynamos", überhaupt Berlins wahrlich nicht verwöhnte Fußballfreunde, hatten auf einen schönen internationalen Herbst und auf ein ebensolches Frühjahr gehofft.

Aber nur einen Pokalpartner vermochte der BFC vorzustellen; Neulinge zwar, doch keine heurigen Hasen, wovon sich nach den BFC-Aktiven nun auch 15.000 in Berlin überzeugen konnten. ALLES AUF EINE KARTE SETZEN wollten die Berliner nach dem 0:3. Sie hätten es auch müssen. Beim Wollen blieb es. Als nach elf Minuten Verteidiger Noack einer Flanke Wroblewskis entgegenstieg und Degtjarew mit einem herrlichen Kopfball überraschte, schien nach nervösem Beginn das Zeichen gegeben. Doch schon Minuten später führte ein Mißverständnis ausgerechnet zwischen den gerade noch Bejubelten zum Ausgleich. Safonow und Rogowski versuchten sich sofort im Doppelpaß.

Der 1:0-Schütze des Hinspiels fackelte auch diesmal nicht lange, Creydt streckte sich vergeblich. "Das durfte nicht passieren", sagte Lutz Eigendorf, der zwar am augenfälligsten stürmende, aber dem BFC-Spiel auch keine Impulse gebende Vorstopper. "Wir wußten, wenn ein Tor für Donezk fällt, sind wir weg!" DIESES AUSGLEICHSTOR ging genau in die Rechnung ein, die Trainer Wladimir Salkow aufgemacht hatte: "Meine Mannschaft hat die taktische Order voll befolgt. Wir sagten vorher: Wenn Dynamo zu einem Tor kommt, schalten wir sofort auf Angriff um." Sein Assistent Wladimir Onisko wunderte sich allerdings ein wenig: "Ich hatte Dynamo weitaus stärker erwartet. Mir schien, der 0:3-Schock bei uns in Donezk war immer noch nicht gewichen."

Bei den Berlinern bewirkte das 1:1 jedenfalls sofort eine Flaute. Harry Nippert: "Damit war der Wind aus den Segeln. Ein Knacks für das ganze Spiel." Ähnliches hörte man immer wieder, wie schon 14 Tage zuvor im Schachtjor-Stadion. "In dieser Phase die spielerische Linie zu behalten, gelang uns deshalb nicht, weil die große Nervosität den Gedanken an das Spiel verdrängte. Ein Ausdruck des taktischen Reifegrades unserer Mannschaft. Diese Lehre haben uns die EC-Spiele mit aller Deutlichkeit vermittelt", so der BFC-Trainer. Zu spielerisch überzeugenden Aktionen fand Dynamo trotz einer gewissen Emsigkeit nicht.

Der Gedanke, daß man ja nun überhaupt nichts mehr zu verlieren habe, eigentlich doch unbelastet stürmen könne, komme, was da wolle - fand auf den Rängen genügend Sympathisanten, auf dem Rasen aber kaum Spielraum. Jedes weitere Schachtjor-Tor hätten die Zuschauer dem BFC verziehen, hätte er nur gezeigt: Wenn schon Pokal-K.o., dann aber soll auch unser Partner am Rande dessen sein! Die wenigen klaren Chancen wurden verpaßt (Riediger, Jüngling/37.) oder verstolpert (Jüngling/ 58., nach dem wohl besten BFC-Spielzug über Schütze, Noack). Da blieb Terletzki erneut unter Form, selbst seine Eckbälle waren einer wie der andere kritikwürdig.

Aber das allein war es nicht, kaum einer hatte Überragendes anzubieten. Was aber doch verwunderte, wie sich der BFC in einem dahinplätschernden Spiel frühzeitig geschlagen gab. Schütze traf noch den Außenpfosten (83.). Alles andere erledigte Degtjarew. In Donezk hatten zwei berühmte frühere Torleute, Alexej Chomitsch von Dynamo Moskau und Oleg Makarow von Dynamo Kiew, auf den 29jährigen verwiesen: "Er ist ein Guter, braucht nur Anlauf, muß warm werden, das aber wird er in Berlin gewiß." Außer Puste war Juri Degtjarew nach dem Abpfiff nicht... Das Gepräge gaben dem Schachtjor-Spiel Libero Waleri Gorbunow, Rechtsverteidiger Jaremtschenko, Rogowski und der umsichtige Kapitän Staruchin.

Jagen ließen sich die Grün-Schwarzen nicht. Eher hatten sie noch das 2:1 vor den Füßen (Rogowski 27., Jaremtschenko 53., Resnik 79.). Der eigentlichen Misere Grund nannte BFC-Assistenztrainer Martin Skaba klipp und klar: "Die ganze Sache haben wir schon in Donezk verspielt." Die Schachtjor-Spieler dagegen tauschten freudig ihre Trikots. Die Warnung der Moskauer Zeitschrift "Fußball", wonach die Historie der europäischen Turniere nicht wenige Beispiele kennt, da auch ein 3:0-Vorsprung zu wenig sein kann, hatten sie längst zu den Akten gelegt.

BFC Dynamo:
Creydt; Jonelat; Wroblewski, Eigendorf, Noack; Terletzki, Lauck, Jüngling; Riediger (73. Labes), Schütze, Netz (62. Trieloff)
Schachtjor Donezk:
Degtjarew; Gorbunow; Jaremtschenko, Kondratow, Pjanich; Sokolowski, Dudinski (67. Rudakow), Schewljuk; Rogowski (72. Resnik), Staruchin, Safonow

1:0 Noack              (11.)
1:1 Rogowski           (16.)

Schiedsrichter:        Wright (Nordirland)
Zuschauer:             15.000

Joachim Pfitzner, Zeitung nicht bekannt,29.09.1976