Europacup der Pokalsieger 1971/72 - Viertelfinale Rückspiel: BFC Dynamo - Atvidaberg FF 2:2

Als die Schweden mit "Blitzspurt" in Führung gingen, behielt Dynamo die Nerven
Wer vor dem Spiel nicht in der überfüllten Pressekonferenz gesessen hatte, konnte auf der Tribüne im Programm nachlesen, was Dynamo-Cheftrainer Geitel über das Spiel dachte: "Dabei werden wir einen Fehler auf keinen Fall begehen, nämlich die Schweden zu unterschätzen." Wer in der Pressekonferenz saß, konnte den Cheftrainer auf eine Frage nach den nächsten Absichten betont antworten hören: "Was soll das? Warten wir doch die 90 Minuten ab und reden dann vielleicht darüber." Die Frage eines britischen Journalisten an den schwedischen Trainer, wie Atvidaberg Chelsea habe aus dem Rennen werfen können, erntete ein paar Phon zuviel Gelächter.

Mancher an den langen tischen schien Hans Geitels Worte mehr als Höflichkeitsfloskel, denn als echte Meinung verstanden zu haben. Ein Glück, daß Geitel seine Spieler offenbar restlos überzeugt hatte... Nach einer halben Stunde führte Atvidaberg mit 2:1, und eine inoffizielle "Zeitmessung" ergab, daß die Schweden insgesamt siebzehn Minuten mit mehr als sechs Feldspielern in der Dynamo-Hälfte operiert hatten, während Dynamo das nur neun Minuten lang getan hatte. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Die neun Minuten sprechen eindeutig für Dynamo, das den Gegner nicht nur nicht unterschätzt hatte, sondern obendrein eine alte - ungeschriebene - Fußball-"Regel" negierte, wobei man sich nach einem 2:0 im "Hinspiel" daheim bis auf die Sturmspitzen vor dem eigenen Tor versammelt.

Darauf also verzichtete Dynamo, und es ist nur auszudenken, was hätte geschehen können, wenn die Berliner die "Regel" befolgt hätten. Die Schweden nämlich spielten mit dem Eifer eines krassen Außenseiters, der weiß, daß er nur gewinnen kann. Man könnte eine Statistik darüber anführen, welche Fehler Dynamo unterliefen - es waren da gewiß einige, die nicht zu übersehen waren -, doch würde die Statistik nie den Fehler aufwiegen, der Dynamo nicht unterlief: Nach dem 2:1 des krassen Außenseiters aus dem Konzept zu geraten, die Bälle nervös durch die Gegend  und damit dem Gegner vor die Füße zu schlagen!

Dynamo war gewiß nicht weniger verblüfft von dem schwedischen 120-Sekunden-Spurt als die sprachlosen Zuschauer, aber spielte weiter. Es genügt in solchen Situationen oft, wenigstens so weiterzuspielen, als wäre nichts gewesen, aber Dynamo spielte sofort konzentrierter, energischer, wußte um die Gefahr, die drohen konnte, wenn die Schweden noch mehr Boden gewinnen würden - und schoben allem mit dem Ausgleich einen Riegel vor. Ein Unentschieden also, zu dem man ehrlichen Herzens gratulieren darf. Und zwar nicht nur, weil es reichte, sondern mehr zu den Umständen, unter denen es zustande kam!

BFC Dynamo:
Lihsa; Carow; Stumpf, Trümpler, Hübner; Terletzki, P. Rohde, Schütze; Johannsen, Netz, Schulenberg
Atvidaberg FF:
Blomberg; J. Olson; Karlsson, L.-A. Andersson, Gustavsson; Augustsson, Wallinder, Torstensson; Magnusson (75. L.-G. Andersson), Sandberg, Edström

1:0 Schulenberg        (12.)
1:1 Wallinder          (29.)
1:2 Sandberg           (31.)
2:2 Netz               (37.)

Schiedsrichter:        Davidson (Schottland)
Zuschauer:             30.000

Klaus Ullrich, Neues Deutschland, 23.03.1972