IFC-Cup 1961/62 (Gruppe B3) - 06. Spieltag: SC Dynamo Berlin - Wiener SK 2:1

Ein Steilpaß riß das Spiel aus dem Feuer / In einem wahren Freundschaftsspiel mehr für das Auge geboten als den Erfolg angestrebt / Lange Zeit die Flügel zu spät eingesetzt / Gäste durch überragenden Läufer Oslansky zunächst druckvoller / Wendung durch Schröters Steilvorlage / Schöne Tore von Schmidt und Poklitar
Ein Spiel aus Spaß! In diesem Berliner Meisterschaftsspiel der Internationalen Sommerrunde ging es für beide Mannschaften nur noch um eine bessere Placierung in der Tabelle der Gruppe 3. Die Entscheidung über den Sieg in dieser Staffel fiel an anderer Stelle - in Zabrze, wo sich die Spartak-Elf aus Hradec Kralove durch ein überraschendes Remis den Gruppensieg holte. So konnten also Dynamo und der Wiener SK unbeschwert aufspielen und sich vor den Augen der Berliner Fußballfreunde ein wahres Spiel in Freundschaft liefern. "Es war zu merken und zu teilen", so führte Dynamo-Trainer Janos Gyarmati treffend aus, "daß dieses Spiel ohne harten körperlichen Einsatz beiden Mannschaften Spaß machte. Sie spielten mehr um der Schönheit willen als des Erfolges wegen." Wie schon der erste Kampf in Wien zeigte auch das Rückspiel in Berlin, daß sich zwischen dem SC Dynamo und dem Wiener SK feste Bande echter Sportfreundschaft geschlossen haben.

Der Ball muß laufen! Es dauerte einige Zeit, bis die Gastgeber das richtige Rezept für den Sieg gefunden hatten. Lange begingen sie den elementaren Fehler, mit dem Ball am Fuß über weite Strecken des Feldes zu laufen, statt den Ball selbst laufen zu lassen. Sosehr die vier für das magische Quadrat verantwortlichen Spieler auch bemüht blieben, das Leder unter Kontrolle zu behalten, um es dann auch verwendungsfähig abzuspielen - der weite Raum des Fußballfeldes wurde auf diese Art nicht genutzt. So lief man sich an der inzwischen gut formierten und postierten Deckung der Gäste immer wieder fest und fand nur selten eine Lücke zum entscheidenden Durchbruch. Die Vorlagen für die Flügel kamen meist zu spät! Stets von neuem ergab sich somit die gleiche Situation: Wiederholt setzten sich besonders Läufer Maschke und Halbstürmer Mühlbächer im Mittelfeld eindrucksvoll in Szene, verpaßten dann aber den richtigen Moment zum raumgewinnenden Steilpaß für die beiden doch so schnellen Außenstürmer.

Gäste lange Zeit druckvoller! Das war vielleicht die Überraschung des Spiels: Der Wiener SK spielte etwa eine Stunde lang den druckvolleren und gefährlicheren Fußball! Meist angetrieben vom herausragenden rechten Läufer Oslansky zog man ein zweckmäßiges Angriffsspiel auf, das vor allem mit Hilfe der oft in Szene gesetzten Flügelstürmer verschiedene bedrohliche Situationen vor dem Dynamo-Tor schuf. Oftmals brachen die von den beiden Außenverteidigern nicht auf Tuchfühlung markierten rasanten Flügel gefahrbringend durch, und wiederholt mußten Marquardt und Heine all ihr beachtliches Können zur Verhinderung von Torerfolgen einsetzen. So nahm es schließlich auch nicht wunder, daß die Gäste bald nach der Pause im Anschluß an die siebente Ecke in Führung gingen. Stampfer schoß aus halbrechter Position scharf ab, Marquardt lenkte das Leder hochschnellend gegen die Latte, und Planer köpfte frei stehend ein. Endlich einmal die Deckung aufgerissen!

In der 65. Minute kam es zur entscheidenden Wendung: Ebenso plötzlich wie überraschend für die Gaste machte ein herrlicher Steilpaß von Schröter den Linksaußen völlig frei. Klingbiel kurvte zur Torlinie und flankte sogleich scharf nach innen. Hoch schlug der Direktschuß von Schmidt ins Netz. Ein Spielzug wahrlich wie aus der Lehrfibel des Fußballs! Bald darauf das Siegestor nach einer schönen Kombination zwischen Maschke, Schmidt und Hofmann. Diesmal war Poklitar der unnachsichtige Vollstrecker, der aus der Drehung halbhoch unhaltbar ins linke Eck verwandelte. Gerade noch rechtzeitig hätte Dynamo den richtigen Dreh gefunden. Jetzt wechselte man planvoll zwischen Kurz- und Steilpaß und wandelte nun auch die Schönheit technischen Spiels im Mittelfeld in die Zweckmäßigkeit drangvollen Spiels über die Flügel um. Der zweite Sieg über den Wiener SK war der gerechte Lohn für diese späte, aber nicht zu späte Erkenntnis. Blieb auch der Gruppensieg in dieser zweifellos sehr ausgeglichenen Staffel der internationalen Meisterschaftsrunde versagt, so dürfen es sich die Dynamo-Spieler für ihre kurze Zeit der Ruhe und Erholung bis zum zweiten Punktspieldrittel mit auf den Weg nehmen: Ende gut - fast alles gut!

SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Dorner, Heine, Starost; Hofmann, Maschke; Schmidt, Mühlbächer, Poklitar, Schröter, Klingbiel
Wiener SK:
Szanwald; Kainrath, Windisch, Müller; Oslansky, Weiß; Köstenberger, Planer, Skerlan, Hamerl (25. Kittenberger), Stampfer

0:1 Planer             (49.)
1:1 Schmidt            (65.)
2:1 Poklitar           (71.)

Schiedsrichter:        Obtulovic (CSSR)
Zuschauer:             8.000


Lothar Nagel, Neue Fußballwoche, 25.07.1961