IFC-Cup 1961/62 (Gruppe B3) - 03. Spieltag: KS Górnik Zabrze - SC Dynamo Berlin 5:1

Am Ende ließen die Kräfte nach! / Polens Tabellenführer beeindruckte durch eine hochklassige Leistung!
Trainer Janos Gyarmatl hatte seiner Mannschaft vor dem Spiel noch einmal nahegelegt, vor allem in den ersten Minuten aufzupassen, zu verhindern, daß ein schneller Torrückstand die Mannschaft zurückwerfen würde. Die 0:1-Führung nach 10 Minuten konnte nicht verhindert werden, doch die Worte ihres Trainers hatte die Mannschaft beherzigt, vor allem unsere Abwehrspieler behielten die Übersicht und Nervenstärke. Das war eminent wichtig, zugleich die Voraussetzung, daß die Berliner nach gut halbstündiger Spielzeit zu Ihrem Spiel fanden und die drangvollen Gastgeber etwas In die Schranken wiesen. Górnik begann wie ein Tausendsassa. Aber unsere Mannschaft wußte um die Gefährlichkeit der Gastgeber, die in 12 Meisterschaftsspielen 23:1 Punkte erzielten und ein Torverhältnis von 12:6.

Bekannt war, daß Górnik seit 1958 in internationalen Spielen ungeschlagen geblieben ist, nur am letzten Sonntag unterlag Zabrze (ersatzgeschwächt) dem Wiener SK 2:5. Doch das war kein Maßstab! In den ersten 25 Minuten erlebten die Berliner die wahre Górnik-Elf. Das war, ohne Einschränkungen, modernster Klasse-Fußball. Ein wirbelnder Sturm, ständiges Platztauschen, moderne, weiträumige Direkt-Passagen. Sehr klug stießen die Läufer wechselseitig nach vorn, präsentierte sich vor allem Gawlik als sechster, zudem als schußstarker Stürmer. Ein großartiger Dirigent ihr Kapitän Pohl, der wie Schröter ebenfalls 30 Länderspiele bestritten hat. Ein großartiger antrittsstarker Flügelstürmer, der mit akkuraten Flanken aufwartende Lentner. Torschußfreudig aber zeigten sich alle fünf Górnik-Stürmer.

Die schärfsten Waffen der Górnik-Elf waren aber ihr unwahrscheinliches Tempo, Ihre Rasanz und das genaue Direktspiel. Doch unsere Verteidiger parierten diesen Angriffsdruck. Ein Lob Starost, Heine und Skaba! Zehn Minuten vor der Pause ging unsere Mannschaft zum Gegenangriff über, schien das Ärgste überstanden. Als Poklitar, der für den indisponierten Mühlbächer hereingekommen war, nach einem sauberen 15-Meter-Paß von Schröter der Anschlußtreffer gelungen war, glaubten wir, unsere Mannschaft hätte eine reelle Chance, wenigstens ein Remis auf dem gefürchteten mustergültigen Górnik-Rasen zu erzielen. Die ersten 15 Minuten nach der Halbzeit bestärkten uns in dieser Ansicht. Das Mittelfeldspiel war verteilt, Górnik konnte sein scharfes Anfangstempo nicht halten, unsere Läufer Bley und Maschke drückten die eigene Angriffsreihe immer wieder in die gegnerische Hälfte.

Der gute Wille darf nicht übersehen werden, doch im Übereifer spielte man taktisch unklug, gab sich hinten Blößen. Unser Sturm spielte eine Reihe guter Trefferchancen heraus. Zweimal beeindruckte Klingbiel, erhielt er für herrliche Schüsse Beifall (52. und 55.). Doch unser Sturm schoß zu miserabel. So zielte Hofmann zu noch über die Latte, vergab Bauchspieß zwei sehr aussichtsreiche Chancen. Wenn solche Torchancen nicht genutzt werden, darf man sich am Ende nicht wundern. In der 60. Minute erzielte dann Wilczek überraschend die 3:1-Führung, nachdem Musialek drei Minuten zuvor die größte Chance für die Gastgeber ausgelassen hatte. Allein auf das Tor marschierend, zögerte er mit dem Torschuß. und so konnte ihn Heine abfangen. Von diesem Zeitpunkt an ließen die Kräfte bei unserer Elf nach.

Das erkannte Górnik, ein gutes Zeichen für eine Klasse-Elf. Noch einmal rissen die Gastgeber all ihre physischen Kräfte zusammen, forcierten selbst das Tempo und schlugen zweimal eiskalt zu. Der nachlassende Gegner, SC Dynamo, erhielt so einen empfindlichen K.O., den bis zur 60. Minute niemand, weder Freund noch Gegner, voraussah. Nun ließen auch Schröter und Klingbiel in ihrem Angriffsdrang nach. In den Schlußminuten gab es für Dynamo keine Wende mehr. Es macht sich immer mehr bemerkbar, daß die Stürmer zu langsam vorrückten bei den eigenen Angriffen, daß die Läufer nicht mehr rasch genug vom Angriff auf die Abwehr zurückschalten konnten, während Górniks Konterangriffe in den letzten 20 Minuten ihren Erfolg zeigten. Das 1:5 ernüchtert.

Der Wille war da, aber es gelang nicht, das 3:5 von Wien gegen die Sportclub-Elf durch eine überraschend starke Leistung zu bekräftigen. Ein Trost für die Berliner, sie wissen, daß sie gegen den polnischen Spitzenreiter, gegen eine wirkliche Klasse-EIf, mit ausgezeichnetem Einzelkönnen verloren haben. Was unsere Spieler noch lernen müssen, sie haben es hier offenbart bekommen. Schnelligkeit, direktes, genaues Spiel. Mit Pohl, Lentner, Wilczek, Kowalski, Gawlik und Oslizlo hat Gornik ausgezeichnete Einzelkönner, die ihre Stärke harmonisch in den Dienst der Mannschaft stellen. Stanislaw Oslizlo, der Nachfolger in der Nationalelf von Stopper Roman Korynt, ähnlich in der Figur und in seinem Stil, erinnert stark an seinen Vorgänger. Die Berliner werden sich von dieser Klasse-EIf am kommenden Wochenende überzeugen können!

KS Górnik Zabrze:
Kostka; Florenski, Oslizlo, Franosz; Gawlik, Kowalski; Olszowka, Wilzek, Musialek, Pohl, Lenter
SC Dynamo Berlin:
Noske; Starost, Heine, Skaba; Bley, Maschke; Hofmann, Mühlbächer (29. Poklitar), Bauchspieß, Schröter, Klingbiel

1:0 Musialek           (10.)
2:0 Pohl               (21.)
2:1 Poklitar           (39.)
3:1 Wilczek            (60.)
4:1 Musialek           (74.)
5:1 Musialek           (87.)

Schiedsrichter:        Spotak (CSSR)
Zuschauer:             10.000


Wolfgang Hempel, Neue Fußballwoche, 04.07.1961