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taken from House Attack magazine [cologne/germany] may 1995.

 

wieland samolak


GUTE MENSCHEN MACHEN SELTSAME MUSIK


nur wenige leute in techno- & realworld wissen, daß moritz von oswald neben basic channel und seinem house label main street seit einiger zeit ein avantgarde-cd-label namens imbalance betreibt.*

* ein grund dafür könnte sein, daß man die releases dieses labels fast nirgendwo kaufen kann und der vertrieb (efa) nicht sonderlich daran interessiert zu sein scheint, die existenz von imbalance publik zu machen. auf meine frage nach info-material und tonträgern wurde mir mit den worten "das ist nichts für euch" herzlich abgeraten und trotz meiner beharrlichen weigerung, das label zu ignorieren, nie etwas zugesandt. das macht natürlich neugierig. zum guten schluß gelang es dann über dunkle kanäle doch noch, die drei cds aufzutreiben, und wie zu erwarten war: es hat sich gelohnt.



der erste und maßgeblich stilbildende release war wieland samolaks "steady state music". ein werk, das sich am ehesten mit einem vom künstler himself favorisierten terminus beschreiben läßt: klangzustände. nicht melodie oder rhythmus, sondern reiner klang uund dessen modulation sind das erstrebte und wahrhaft erreichte ziel seiner arbeit. seine musik ist seltsam abstrakt, ein wenig an frühes eno-ambiente erinnernd, aber spannend genug, um das gespräch mit dem äußerst sympathischen jungen genius zu suchen und ein wenig über das woher & wohin zu plaudern.      ...ach ja, techno findet er übrigens eher blöd.     jb

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ws: ja, ich höre!

ha: siehst du in deiner musik, speziell auch wegen der zusammenarbeit mit moritz von oswald, irgendeinen bezug zum aktuellen geschehen in technoworld? verfolgst du, was in diesem kontext zur zeit passiert?

ws: nee, ich höre das gelegentlich bei freunden und finde es in aller regel ziemlich blöd; das sind dann meistens situationen, wo man eigentlich musik hören sollte - und zum zuhören ist das nix. basic channel mag ich allerdings schon, die platten klingen immer so herrlich porös.

 

ha: wo ligen denn dann deine roots, in der klassischen elektronischen musik?

ws: tja, roots sind bei mir ganz komisch. ich habe schon recht früh angefangen, elektronische musik zu hören - so mit zwölf, dreizehn jahren - und was mich da am meisten geprägt hat war popol vuh. als ich die sachen allerdings einige jahre später wieder gehört habe, habe ich festgestellt, daß die musik gar nicht so war, wie ich sie damals empfunden habe. ich hatte klangräume gehört und kontinuierlich sich verändernde klangzustände, die sich beim späteren hören als doch eher konventionelle kompositionen entpuppten, die das aufregende und neue nur durch die damals ungewöhnlichen synthesizerklänge bezogen. was für mich aus dieser zeit noch am ehesten funktioniert, ist "sonic seasonings" von wendy carlos . wenn man den kitsch mal abzieht; was dann am klang bleibt, kann ich mir auch heute noch anhören, besonders die akustischen hitzewellen bei "sommer", wenn das frosch-gequake und grillenzirpen vorbei ist.
mein hauptproblem bei der meisten musik ist sowieso, daß ich sie immer nur trotz irgendetwas gut finde. ich focussiere mich immer auf elemente die mir gefallen und versuche, den rest zu vergessen. insbesondere wenn es um gesangsstücke geht wie z.b. bei japan, wo dann immer das gegreine noch kommt, das man eigentlich gar nicht will. ansonsten mag ich besonders herbert eimert (ehem. leiter des legendären "studios für elektronische musik" im wdr, ed.) - der übrigens weit besser war als stockhausen - und erasure.

 

ha: wie kam denn, trotz deiner abneigung gegen techno, die zusammenarbeit mit von oswald zustande?

ws: wir haben uns in münchen kennengelernt, wo ich einige jahre in der filiale des synthesizerstudio bonn gearbeitet habe. moritz war dort kunde und wir haben uns über unsere musikgespräche auch privat schätzen gelernt. jahre später rief er mich an und fragte, ob ich nicht etwas für sein neues cd-label machen wolle. zu der zeit hatte ich gerade die stücke für "steady state music" fertig und war selbst auf der suche nach einem label. da ich aber wußte, daß moritz eher rhythmisch arbeitet, schien es mir unwahrscheinlich, daß meine musik zu dem label passen würde. die stücke gefielen ihm aber sehr gut und so wurde "steady state music" die erste imbalance-cd.

 

ha: die beiden nachfolgenden veröffentlichungen "piercing music" und "async sense" weisen eine so große verwandtschaft mit deiner musik auf, daß man annehmen kann, daß du den stil des labels entscheidend geprägt hast.

ws: ich nehme an, daß es mittelbar war. auch die anderen künstler auf imbalance entstammen dem ehemaligen synthesizerstudio münchen-umfeld, wo damals so eine art mini-subkultur entstand. wenn es eine klangästhetische verwandtschaft gibt, ist sie sicherlich in den nächtelangen "was-kann-die-musik-was-soll-die-musik-diskussionen" begründet, die wir zu der zeit führten - obwohl in dieser zeit kein einziger ton musik auf band gebracht wurde. es gab so eine art genius locci in münchen, man saß und überlegte wie die musik sein müßte und was sie alles nicht enthalten dürfte, kam aber letztlich nie dazu, sie herzustellen. erst später, als wir alle aus münchen geflüchtet waren (wieland back to kohlenpott & die anderen nach berlin, ed.) und sich die ideen gesetzt hatten, konnten wir schließlich ans werk gehen.

 

ha: ihr seid also eher über die ausgrenzung aller "bösen" elemente zu eurer musik gekommen. so eine art musikalischer suprematismus.

ws: das war so in dieser münchener zeit, bevor man dann hinging und die musik letztendlich machte.

 

ha: mir ist aufgefallen, daß ihr eigentlich das macht, von dem andere immer gerne reden: überwinduung der funktionsharmonik, annäherung an reines rauschen, reine modulation von klang, etc.

ws: ich beobachte häufig bei musik, daß sie suggeriert, sie interessiere sich für klang, dann aber doch die dinge nur so nebeneinander setzt, mal dieses element, dann jenes. das ist etwas, was ich persönlich ganz schlecht finde. und zwar aus einem ganz banalen und konventionellen grund: die möglichkeit, mit elektronischen instrumenten klänge zu verändern und nicht nur zu schichten oder hintereinander abzuspielen, ist so naheliegend, daß mich immer wieder erstaunt, wie wenige leute eigentlich so etwas machen. jeder kennt ja das phänomen: man kauft sich einen synthesizer und stellt plötzlich fest, daß man jetzt die "i feel love"-sequenz nachspielen kann. das ist die große gefahr dabei; all die dinge, die man schon kennt, belasten einen so, daß man gar nicht sieht und hört, was man da vor sich hat.

 

ha: klinkmann/schneider sagen in ihrem konkret-artikel über oval: "die inszenierung des geräuschs als zufall und das zufällige geräusch sind nicht zu trennen." in deinem klappentext beschreibst du, wie du als kind auf einem feld gesessen hast und stundenlang den geräuschen vorbeifahrender autos und züge in der ferne gelauscht hast, die sich von weitem zu einem gesamtklang vermischten. diese motorengeräusche sind ja auch nicht ein reiner klang, sondern bestehen aus einzelnen teilen (autos, züge, etc.), die zufällig kommen und gehen (bzw. vorbeifahren). wie begegnest du der gefahr, der beliebigkeit des geräuschs oder klangs anheim zu fallen?

ws: oval kenne ich leider nicht, deshalb kann ich dazu wenig sagen. die geschichte mit dem feld ist allerdings nicht als erklärung meiner musik gedacht, sondern eine erinnerung die ich hatte, während ich an den stücken für das album gearbeitet habe.
ws die entstehung und zusammensetzung von klang anbelangt, rebelliere ich sozusagen gegen die physik, das sehe ich einfach nicht ein. ich will nun mal, daß es ein klang ist, da bestehe ich auch darauf. das ist auch mein großes dilemma; je mehr man über akustik weiss, desto mehr kommt man - wenn man sich additive synthese und fourier-analyse anschaut - zu dem schluß, daß es den reinen klang gar nicht gibt. man kommt irgendwann immer wieder auf diese scheiß harmonik, aber da rebelliere ich gegen das universum, ich sehe es einfach nicht ein, das hinzunehmen, ich will einfach nicht und dabei bleibe ich.

 

ha: wie entsteht deine musik?

ws: es gab für mich bei dieser platte zwei vorgaben; eine vorstellungsvorgabe, um das wort ästhetisch zu vermeiden, und eine technische vorgabe, die auch miteinander korrespondierten. ich wollte in jedem stück einen sich kontinuierlich verändernden klangzustand schaffen, wobei die entwicklung und das drama dieses klangs zielgerichtet und nachvollziehbar sein sollten, ohne in konventionelle schemata wie metrik, harmonik, usw. zu passen. ich habe dann jeweils einenklang erstellt, den ich mit verschiedenen technischen mitteln kontinuierlich verändert habe. so habe ich jedes stück von anfang bis ende durchkomponiert, und wenn ich einen zustand hatte, entschieden, daß es jetzt in diese richtung, und wenn es da ankommt, in jene richtung gehen muß. allerdings geschah das aus empfindung, überzeugung usw., ohne mathematische formeln o.ä. zu bemühen. diese veränderungen habe ich solange variiert, bis ich wußte: so muß es jetzt sein. ich wußte einfach, daß es so sein muß, ohne es jetzt beweisen oder erklären zu können. alles was in dem jeweiligen klang passiert, ist komponiert, beruft sich aber auf nichts anderes, als daß ich jetzt der meinung bin, daß es so sein muß. mehr kann ich da auch nicht anbieten.

 

ha: das ist ja auch grund genug. gemeine, herzlose menschen könnten "steady state music" aber auch als geräusch-cd für video 8-einsteiger empfehlen.

ws: solche vergleiche kann man natürlich nicht verhindern. ich habe auch viele kritiken gelesen, in denen irgendetwas von rauschen die rede war, obwohl ich auf der ganzen platte kein einziges mal rauschen verwendet habe. es ist immer das dilemma mit dem assoziieren mit klängen, du kannst dich hinsetzen und solche sachen als alltagsgeräusche oder eine ableitung davon empfinden, du kannst es aber auch sein lassen. das ist eben das klassische problem von elektronischer musik; die leute hören irgendwann immer die klospülung.

 

ha: diese unsicherheit vergrößert aber auch die chancen für scharlatane, die ihr modularsystem und den weltempfänger einschalten, eine dat einlegen und dann erst mal eine stunde kaffee trinken gehen, um danach zum presswerk zu fahren und die welt mit einer neuen em- oder ambient-cd zu beglücken. sehr viele akteure in diesem bereich beziehen ihre künstlerische berechtigung offensichtlich allein aus dem besitzdes seltenen und teuren instrumentariums. wie grenzt du deine musik dagegen ab?

ws: abgrenzen kann ich mich da eigentlich nicht. irgendwie sind wir ja alle scharlatane, da zu unterscheiden wird immer schwieriger. letzlich ist es einfach eine frage der redlichkeit.

 

ha: ich wollte jetzt eigentlich nicht moralisch werden.

ws: doch, doch wir kommen jetzt gleich zur moral. du hast recht, es gibt irrsinnig viele leute, die so ein zeug haben und irgendetwas damit machen. ich staune auch immer wieder, wieviel musik es gibt. eigentlich kann man nur musik herstellen, die die eigenen kriterien erfüllt und sie dann der öffentlichkeit vorstellen. wie eine flaschenpost die man losschickt... alles andere passiert einfach. mit der scharlatanerie ist es so eine sache; z.b. waren alle besprechungen meiner platte wohlwollend bis überschwenglich, aber es gab natürlich viel weniger rezensionen als bemusterungen uund niemand hat mir scharlatanerie unterstellt. das finde ich sehr schade, denn wenn alle redakteure, die meine platte nicht besprochen haben, sie nicht leiden konnten, warum haben sie es dann nicht geschrieben? es traut sich ja heute keiner mehr öffentlich über etwas zu sagen: das ist echte scheiße. diese haltung unterstützt natürlich den tonträger-overkill, den wir jetzt haben, weil alles, was man über musik liest, irgendwie positiv ist. dadurch werden nun immer mehr leute motiviert, unendlich viel sondermüll zu produzieren... weißt du eigentlich, wie cds abgebaut werden?

 

ha: die herstellung ist wohl weniger umweltbelastend als die von vinyl, aber die frage der entsorgung hat sich offensichtlich noch niemand gestellt.

ws: das war übrigens auch ein wichtiger grund für mich, die cd nicht unter einem pseudonym zu machen, denn ich finde, wer die öffentlichkeit mit irgendwelchen tonträgern oder sowas belästigt, soll dann bitte auch mit seinem namen dafür herhalten.wenn dann irgendwer kommt und scharlatanerie ruft, muß ich auch bereit sein, denen zu antworten. ich finde, man muß sich dafür auch rechtfertigen; man belästigt wirklich die gesellschaft mit irgendeinem zeug, das dann wie gesagt auch abgebaut werden muß. da geht es dann nicht an, daß man sich hinter einem pseudonym verkriecht und es hinterher nicht gewesen sein will.

 

 

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